Die Gründung oder Übernahme einer eigenen Zahnarztpraxis ist ein Meilenstein, verbunden mit enormem Engagement und unternehmerischem Mut. Der Fokus in der Anfangsphase liegt naturgemäß auf der optimalen Patientenversorgung, dem Aufbau eines loyalen Patientenstamms und der Gestaltung der Praxisräume. Inmitten dieser aufregenden und arbeitsintensiven Zeit wird ein Bereich oft unterschätzt, der für die wirtschaftliche Gesundheit der Praxis jedoch fundamental ist: die zahnärztliche Abrechnung.
Gerade in der Gründungsphase, wenn Prozesse noch nicht etabliert sind und das Team sich erst einspielt, entstehen hier oft unbemerkte, aber kostspielige Fehler. Diese führen zu direkten Honorarverlusten, die sich über das Jahr zu beträchtlichen Summen addieren können. Die gute Nachricht: Die meisten dieser Fehler sind vermeidbar, wenn man sie kennt und von Anfang an professionelle Strukturen schafft.
Das Wichtigste in Kürze
- Vergessene Begleitleistungen: Kleine, aber abrechenbare Zusatzleistungen werden im Behandlungsstress oft nicht erfasst. Die Summe dieser Kleinbeträge führt zu signifikantem Honorarverlust.
- Fehlerhafte Steigerungsfaktoren: Aus Unsicherheit wird das Honorarpotenzial bei aufwendigen Behandlungen durch zu niedrige GOZ-Steigerungsfaktoren nicht ausgeschöpft.
- Mangelhafte Dokumentation: Eine unzureichende Dokumentation ist die häufigste Ursache für Honorarkürzungen durch Kostenträger und der Verlust der rechtlichen Grundlage für die Zahnarzt Abrechnung.
Fehlerquelle 1: Vergessene Leistungen – Die Tücke der „kleinen“ Positionen
Im hektischen Praxisalltag konzentrieren sich Behandler:innen und Assistenz auf die Hauptleistung. Dabei geraten zahlreiche abrechenbare Begleitleistungen schnell aus dem Blickfeld.
- Das Problem: Das Anlegen von Kofferdam, eine besonders aufwendige Trockenlegung, die Anwendung spezifischer Anästhesieverfahren, die Desinfektion von Kavitäten oder die Verwendung eines Operationsmikroskops – all dies sind separate Leistungen, die liquidiert werden können, aber oft nicht erfasst werden.
- Die Auswirkung: Jede dieser Positionen mag für sich genommen nur einen kleinen Betrag ausmachen. Über hunderte Behandlungsfälle im Jahr summiert sich der Verlust jedoch schnell auf einen fünfstelligen Betrag.
- Die Lösung: Etablieren Sie von Beginn an standardisierte Prozessabläufe und Abrechnungs-Checklisten für wiederkehrende Behandlungen. Moderne Praxissoftware ermöglicht die Anlage von Leistungsketten, die bei Eingabe der Hauptleistung automatisch die typischen Begleitleistungen vorschlagen.
Fehlerquelle 2: Falsche Anwendung der Steigerungsfaktoren (GOZ)
Die Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) ermöglicht es, den Aufwand einer Behandlung durch Steigerungsfaktoren abzubilden. Hier liegt eines der größten, ungenutzten Honorarpotenziale.
- Das Problem: Viele Gründer:innen scheuen aus Unsicherheit oder Angst vor Diskussionen mit Kostenträgern davor zurück, den Regelhöchstsatz von 2,3 zu überschreiten. Sie setzen ihn pauschal an, selbst wenn die Behandlung durch besondere Schwierigkeiten, einen extremen Zeitaufwand oder andere Umstände weit über dem Durchschnitt lag.
- Die Auswirkung: Ein direkter und erheblicher Honorarverlust bei allen Behandlungen, die überdurchschnittlich anspruchsvoll waren.
- Die Lösung: Entwickeln Sie den Mut zur individuellen und stichhaltigen Begründung. Der Schlüssel liegt in der Dokumentation: Schulen Sie Ihr Team darin, die Gründe für den erhöhten Aufwand präzise in der Patientenakte zu vermerken. Die Nutzung von Textbausteinen für wiederkehrende Begründungen in der Praxissoftware kann hierbei eine enorme Hilfe sein.
Fehlerquelle 3: Unzureichende oder fehlerhafte Dokumentation
Die Dokumentation ist das Rückgrat jeder Abrechnung. Sie ist nicht nur eine gesetzliche Pflicht, sondern die juristische und abrechnungstechnische Grundlage für jeden einzelnen Honoraranspruch.
- Das Problem: Im Alltagsstress werden Befunde, Diagnosen, durchgeführte Maßnahmen und vor allem die Begründungen für besondere Schwierigkeiten nur lückenhaft oder unpräzise erfasst.
- Die Auswirkung: Ohne lückenlose Dokumentation fehlt die rechtliche Grundlage für eine erhöhte Steigerung. Bei Rückfragen von Versicherungen oder Beihilfestellen kann die erbrachte Leistung nicht belegt werden, was oft zu Kürzungen oder im schlimmsten Fall zum vollständigen Verlust des Anspruchs führt.
- Die Lösung: Machen Sie den Grundsatz „Was nicht dokumentiert ist, wurde nicht gemacht“ zur obersten Maxime in Ihrer Praxis. Führen Sie die digitale Patientenakte konsequent, detailliert und zeitnah. Jeder dokumentierte Eintrag sichert Ihr Honorar.
Fehlerquelle 4: Fehlendes Wissen bei Analogleistungen (GOZ § 6 Abs. 1)
Die Zahnmedizin entwickelt sich rasant weiter. Neue, innovative Behandlungsverfahren sind oft noch nicht in der GOZ abgebildet. Genau hierfür gibt es die Analogabrechnung.
- Das Problem: Aus Unkenntnis über die korrekte Anwendung von § 6 Abs. 1 GOZ werden moderne und oft hochwertige Leistungen entweder gar nicht oder falsch abgerechnet.
- Die Auswirkung: Die Praxis erbringt eine innovative Leistung, wird aber nicht adäquat dafür honoriert. Dies bremst die wirtschaftliche Grundlage für weitere Investitionen in moderne Medizintechnik.
- Die Lösung: Regelmäßige Fortbildungen des gesamten Teams zur GOZ-Abrechnung sind unerlässlich. Der Austausch in Qualitätszirkeln oder die gezielte Inanspruchnahme einer externen Abrechnungsberatung für komplexe Fälle kann sich schnell bezahlt machen.
Fazit
Eine professionelle und lückenlose Abrechnung ist kein notwendiges Übel, sondern eine der zentralen Säulen für den wirtschaftlichen Erfolg einer neu gegründeten Praxis. Die anfängliche Investition in die Etablierung sauberer Prozesse, die konsequente Schulung des Teams und die Nutzung der Möglichkeiten moderner Praxissoftware ist entscheidend, um Honorarverluste von Beginn an zu vermeiden. Wer die hier genannten Fehlerquellen kennt und systematisch ausschließt, schafft eine solide finanzielle Basis für eine langfristig erfolgreiche und prosperierende Praxis.