Startups starten mit einem bunten Mix aus digitalen Helfern. Ein Tool für Buchhaltung, eines für das CRM, ein weiteres für Projektmanagement, dazu Shop-System, Payment-Anbieter und Collaboration-Plattform. Am Anfang fühlt sich das flexibel und leicht an, doch mit zunehmendem Wachstum wird aus dieser Vielfalt schnell ein unübersichtlicher „Tool-Zoo“. Spätestens wenn Daten doppelt gepflegt werden müssen und Auswertungen zum Tagesprojekt werden, stellt sich die Frage, wie aus den vielen Einzellösungen eine tragfähige Systemlandschaft werden kann, in der eine zentrale ERP Software eine Rolle spielen kann.
Woran man erkennt, dass der Tool-Zoo zu groß geworden ist
Typische Warnsignale zeigen sich meist zuerst im Alltag, wenn Adressen in mehreren Systemen gepflegt werden, die Bestände nicht mit der Realität übereinstimmen und wichtige Metriken wie der Umsatz je Kunde oder die Deckungsbeiträge jedes Mal manuell zusammengesucht werden müssen. Auch Abstimmungen im Team werden zäher, weil jeder mit anderen Zahlen arbeitet oder unklar ist, welche Quelle „wahr” ist. Hinzu kommt das Thema Kosten. Oft merken Start-ups erst bei einer Finanzierungsrunde oder beim Jahresabschluss, wie viel Geld und Zeit in das Verwalten statt in die Nutzung der Software fließt.
Welche Systeme gibt es überhaupt?
Bevor eine Systemlandschaft geordnet werden kann, braucht es Transparenz. Ein einfacher, aber wirkungsvoller Schritt ist eine Bestandsliste:
- Welche Tools sind im Einsatz?
- Wer nutzt sie?
- Welche Daten liegen darin und wie wichtig sind sie für das Kerngeschäft?
Hilfreich ist es, diese Übersicht nach Prozessen zu sortieren, etwa in Vertrieb, Einkauf, Lager, Finanzen, Projektmanagement und Support. Parallel dazu sollte dokumentiert werden, wo heute bereits Schnittstellen existieren, beispielsweise zwischen Shop und Warenwirtschaft oder zwischen CRM und Newsletter-Tool, und wo Daten noch manuell übertragen werden.
Was gehört in die Mitte?
Im nächsten Schritt geht es weniger um Tools als um Geschäftsprozesse. Die Frage lautet: Welche Abläufe sind für das Geschäftsmodell kritisch und sollten möglichst durchgängig, transparent und skalierbar abgebildet werden. Dazu zählen meist der Order-to-Cash-Prozess von der Bestellung bis zum Zahlungseingang, Procure-to-Pay vom Einkauf bis zur Rechnung sowie projektbezogene Abläufe.
Viele wachsende Startups entscheiden sich an diesem Punkt, zentrale Geschäftsprozesse in einer integrierten ERP Software zu bündeln, anstatt sie über mehrere Insellösungen zu verteilen. Spezialisierte Tools bleiben dort erhalten, wo sie echten Mehrwert bringen, werden aber an eine klar definierte „Systemmitte“ angebunden, sodass Datenflüsse nicht mehr zufällig, sondern geplant sind.
Kriterien für die Auswahl der Kernsysteme
Ob ein bestimmtes System zur neuen Mitte taugt, hängt von mehreren Faktoren ab. Wichtige Kriterien sind etwa:
- Funktionsabdeckung für das aktuelle Geschäftsmodell und absehbare Wachstumsschritte
- Integrationsfähigkeit über Schnittstellen, APIs und Standard-Connectoren
- Skalierbarkeit bei Nutzerzahlen, Datenvolumen und Standorten
- Bedienbarkeit für das Team und Verfügbarkeit von Support oder Partnern
Gerade Start-ups sollten darauf achten, dass die Systeme modular und ausbaufähig sind. So muss nicht bereits nach zwei Jahren wieder ein kompletter Wechsel erfolgen. Es ist nur selten sinnvoll, sofort alle denkbaren Module zu aktivieren, und in der Regel reicht ein klarer Kern, der später erweitert wird, wenn sich die Prozesse stabilisiert haben.
Integrationen statt Insellösungen
Eine geordnete Systemlandschaft bedeutet nicht, alles in einer einzigen Plattform zu verschmelzen. Spezialisierte Tools für Marketing-Automation, Support oder Collaboration können weiterhin sinnvoll sein, sollten aber gezielt an die Kernsysteme angebunden werden. Technisch geschieht dies über standardisierte Schnittstellen, Middleware oder Integrationsplattformen, organisatorisch über klare Regeln, welches System welche Daten „besitzt“.
Wichtig ist eine eindeutige Rollenverteilung: Beispielsweise kann das ERP als führende Quelle für Stammdaten wie Artikel, Kunden und Preise dienen, während das CRM für Interaktionen und Vertriebs-Chancen zuständig ist. So wird vermieden, dass dieselben Informationen in mehreren Systemen gepflegt werden und im Zweifel voneinander abweichen.
Menschen nicht vergessen
Selbst die durchdachteste Systemarchitektur scheitert, wenn das Team nicht mitgenommen wird. Gerade in Start-ups sind Mitarbeitende es gewohnt, schnell neue Tools auszuprobieren und persönliche Favoriten zu entwickeln. Eine Umstellung auf eine strukturierte Systemlandschaft bedeutet jedoch, dass sie sich auf gemeinsame Standards einlassen und lieb gewonnene Workarounds hinterfragen müssen.
Transparente Kommunikation darüber, warum bestimmte Entscheidungen getroffen werden, sowie Schulungen und klare, alltagstaugliche Prozesse helfen dabei, Akzeptanz zu schaffen. Es kann sinnvoll sein, „Power User“ aus den Fachbereichen früh einzubinden, damit sie Praxisanforderungen einbringen und später als Multiplikatoren fungieren.
Vom „Tool-Wildwuchs“ zur tragfähigen Basis
Ein geordneter Software-Stack ist für junge Unternehmen kein Luxus, sondern eine Voraussetzung dafür, dass Wachstum nicht in Chaos umschlägt. Wer Bestandsaufnahme, Prozessanalyse, Auswahl von Kernsystemen und Integrationskonzept systematisch angeht, schafft eine Grundlage, auf der sich neue Produkte, Märkte und Teams deutlich leichter aufbauen lassen. So entsteht Schritt für Schritt aus dem Tool-Zoo eine Systemlandschaft, die nicht nur heutigen Anforderungen standhält, sondern auch Spielraum für die nächste Wachstumsphase lässt.
