Der Beteiligungsvertrag (auch Investment Agreement oder Shareholder Agreement, SHA, genannt) ist das zentrale Vertragswerk einer Startup-Finanzierungsrunde. Er regelt die Bedingungen, zu denen externe Kapitalgeber (wie Business Angels oder Venture Capital Fonds) in ein Unternehmen investieren und Anteile erhalten.
Dieses Dokument legt jedoch nicht nur die finanzielle Transaktion fest, sondern definiert vor allem die Rechte und Pflichten aller Gesellschafter – Gründer wie Investoren – für die zukünftige Zusammenarbeit. Er ist die „Verfassung“ des Unternehmens nach dem Einstieg der Investoren und oft wichtiger als die reine Unternehmensbewertung.
Das Wichtigste in Kürze
- Kerndokument: Ein Beteiligungsvertrag ist das juristische Hauptdokument jeder externen Finanzierungsrunde (z. B. Seed oder Series A).
- Inhalt: Er regelt nicht nur die Bewertung und die Höhe des Investments, sondern vor allem die zukünftigen Spielregeln zwischen Gründern und Investoren.
- Kritische Klauseln: Bestimmte Klauseln (wie Liquidationspräferenzen, Vesting und Kontrollrechte) haben oft größere wirtschaftliche Auswirkungen als die reine Unternehmensbewertung.
- Unerlässlich: Gründer sollten diesen Vertrag niemals ohne spezialisierten Rechtsbeistand prüfen und verhandeln, da Investoren in der Regel über weitaus mehr Verhandlungserfahrung verfügen.
Die wichtigsten Klauseln, die Gründer verstehen müssen
Ein Beteiligungsvertrag ist oft ein hochkomplexes Dokument von 50 Seiten oder mehr. Die folgenden Klauseln sind für Gründer von existenzieller Bedeutung und stehen im Zentrum der Verhandlungen.
1. Liquidationspräferenz (Liquidation Preference)
Dies ist die wichtigste „Geld-Klausel“. Sie regelt, wer im Falle eines Exits (Verkauf der Firma) oder einer Liquidation zuerst Geld erhält.
- Funktionsweise: Investoren erhalten ihr investiertes Kapital (oder ein Vielfaches davon, z.B. 1x) zurück, bevor die restlichen Erlöse unter allen Gesellschaftern (inklusive Gründern) aufgeteilt werden.
- Varianten: Man unterscheidet zwischen „non-participating“ (einfache Präferenz) und „participating“ (doppelte Beteiligung), was die Auszahlung an Gründer massiv schmälern kann.
2. Gründer-Vesting (Vesting)
Investoren investieren in das Team. Vesting stellt sicher, dass die Gründer dem Unternehmen erhalten bleiben.
- Funktionsweise: Die Gründer müssen sich ihre bereits gehaltenen Anteile über einen bestimmten Zeitraum (meist 3-4 Jahre, oft mit einem 1-Jahres-Cliff) „neu verdienen“.
- Konsequenz: Verlässt ein Gründer das Startup vor Ablauf der Frist (siehe „Bad Leave“), verfallen seine noch nicht „gevesteten“ Anteile oder können günstig zurückgekauft werden.
3. Mitverkaufsrechte (Tag-Along) und Mitverkaufspflichten (Drag-Along)
Diese Klauseln regeln, was passiert, wenn ein Gesellschafter seine Anteile verkaufen will.
- Tag-Along (Mitverkaufsrecht): Schützt Minderheitsgesellschafter (oft Investoren). Wenn ein Gründer (Mehrheitseigner) seine Anteile an einen Dritten verkauft, darf der Investor seine Anteile zu den gleichen Konditionen mitverkaufen.
- Drag-Along (Mitverkaufspflicht): Sichert den Exit. Wenn eine definierte Mehrheit (meist die Investoren) das gesamte Unternehmen verkaufen will, können sie die restlichen Gesellschafter (Gründer) zwingen, ihre Anteile zu denselben Bedingungen mitzuverkaufen.
4. Verwässerungsschutz (Anti-Dilution)
Diese Klausel schützt Investoren vor Wertverlust, falls eine zukünftige Finanzierungsrunde zu einer niedrigeren Bewertung stattfindet (eine „Down Round“). Der Investor erhält dann zusätzliche Anteile, um seine ursprüngliche Beteiligungsposition zu schützen, während die Gründer weiter verwässert werden.
5. Kontroll- und Mitspracherechte (Veto Rights)
Investoren sichern sich oft ein Veto-Recht für wesentliche Geschäftsentscheidungen, selbst wenn sie nicht die Mehrheit der Anteile halten. Dazu können gehören:
- Aufnahme neuer Schulden
- Änderung der Geschäftsstrategie
- Einstellung oder Entlassung von Geschäftsführern
- Ausgaben über einem bestimmten Schwellenwert
Was Gründer bei Verhandlungen beachten sollten
Ein Beteiligungsvertrag ist kein Standarddokument; er ist das Ergebnis einer harten Verhandlung.
- Terms vs. Valuation: Eine hohe Bewertung ist wertlos, wenn die Konditionen (z. B. eine mehrfache, participating Liquidationspräferenz) den Gründern im Exit-Fall nichts übriglassen. „Terms are more important than valuation.“
- Der „Cap Table“: Gründer müssen exakt verstehen, wie der Cap Table (die Gesellschafterliste mit Anteilsverteilung) nach der Runde aussieht und wie sich künftige Runden auswirken.
- Good Leaver / Bad Leaver: Die Definitionen, was bei einem Austritt passiert, müssen fair und präzise verhandelt werden, um Gründer nicht unangemessen zu benachteiligen.
Abgrenzung: Beteiligungsvertrag vs. Satzung
Die Satzung (Articles of Association) ist ein öffentliches Dokument, das beim Handelsregister hinterlegt wird und die Grundstruktur der GmbH regelt.
Der Beteiligungsvertrag (SHA) ist ein separates, privates und vertrauliches Dokument, das die detaillierten, oft wirtschaftlich viel relevanteren „Spielregeln“ zwischen den Gesellschaftern festlegt.