Der Begriff „Fully Diluted“ (auf Deutsch „vollständig verwässert“) ist einer der wichtigsten und am häufigsten verwendeten Begriffe in Startup-Finanzierungsrunden. Es handelt sich dabei um eine Methode zur Berechnung der Gesamtanzahl der Unternehmensanteile.
Im Gegensatz zu einer „Basic“-Berechnung (die nur die bereits ausgegebenen Anteile zählt) umfasst die „Fully Diluted“-Basis alle potenziellen Anteile, die in Zukunft ausgegeben werden könnten. Sie stellt damit den „Worst-Case“ der Verwässerung dar und ist für Investoren die einzig relevante Berechnungsgrundlage, um den wahren Wert eines Anteils zu bestimmen.
Das Wichtigste in Kürze
- Definition: „Fully Diluted“ ist eine Berechnungsmethode, die alle existierenden Anteile plus alle potenziell zukünftigen Anteile (wie Mitarbeiteroptionen, Wandeldarlehen) summiert.
- Zweck: Sie zeigt die maximal mögliche Verwässerung (Dilution) und damit die wahre, zukünftige Eigentümerstruktur.
- Anwendung (VC): Venture Capital (VC) Investoren basieren ihre Bewertung und die Berechnung des Anteilspreises (Price per Share) immer auf der „Fully Diluted“-Basis.
- Konsequenz für Gründer: Da die „Fully Diluted“-Anzahl höher ist als die Anzahl der „Basic“-Anteile, sinkt der Preis pro Anteil. Dies führt zu einer stärkeren Verwässerung für die Gründer bei der Aufnahme von Kapital.
Wie funktioniert die Berechnung in der Praxis?
Um die „Fully Diluted“-Anzahl zu berechnen, werden alle „potenziellen“ Anteile zu den bereits existierenden Stammanteilen (Common Shares) addiert.
Die Formel lautet vereinfacht: Bereits ausgegebene Anteile (z. B. der Gründer)
- Reservierter, aber noch nicht ausgegebener ESOP/VSOP Pool (Mitarbeiteroptionen)
- Bereits gewährte ESOP/VSOP-Optionen
- Warrants (Optionsscheine)
- Alle Anteile aus Wandeldarlehen (Convertible Notes) = Gesamtanzahl der „Fully Diluted“-Anteile
Diese Summe ist der neue „Nenner“ (der Divisor) für alle weiteren Berechnungen.
Warum ist „Fully Diluted“ so entscheidend für Gründer?
Die Verwendung der „Fully Diluted“-Basis hat direkte und signifikante Auswirkungen auf die Gründer, insbesondere bei der Aufnahme von Kapital.
1. Die Berechnung des Anteilspreises (Price per Share)
Investoren berechnen den Preis, den sie pro Anteil zahlen, indem sie die Pre-Money-Bewertung durch die Anzahl der „Fully Diluted“-Anteile teilen.
- Formel:
Preis pro Anteil = Pre-Money-Bewertung / Anzahl der Fully Diluted Anteile
Hier liegt der häufigste Verhandlungskonflikt:
- Sicht der Gründer (Wunsch):
10 Mio. € Bewertung / 1 Mio. (Basic) Anteile = 10 € pro Anteil - Sicht des Investors (Realität):
10 Mio. € Bewertung / 1,2 Mio. (Fully Diluted) Anteile = 8,33 € pro Anteil
Da der Investor auf der „Fully Diluted“-Basis besteht, ist der Preis pro Anteil niedriger. Für sein Investment (z. B. 1 Mio. €) erhält er also mehr Anteile, was die Gründer stärker verwässert.
2. Die Verwässerung durch den ESOP-Pool
Investoren verlangen fast immer, dass ein Pool für zukünftige Mitarbeiterbeteiligungen (ESOP) vor ihrem Investment geschaffen wird („Pre-Money Pool“).
Wenn dieser Pool (z. B. 10 % der Firma) in die „Fully Diluted“-Berechnung einfließt, verwässert er nur die Altgesellschafter (also die Gründer). Der Investor steigt erst „danach“ ein und seine Anteile werden durch diesen Pool nicht mehr verwässert.
3. Transparenz beim Exit (Waterfall)
Der „Fully Diluted“-Cap Table ist die Grundlage für die „Waterfall-Analyse“ – die Berechnung, wer im Falle eines Verkaufs (Exit) wie viel Geld erhält. Nur die „Fully Diluted“-Sicht zeigt, wie sich der Erlös auf alle Parteien (Gründer, Investoren, Mitarbeitende mit Optionen) wirklich verteilt.
Abgrenzung: Fully Diluted vs. Non-Diluted (Basic)
- Non-Diluted (Basic): Zählt nur die Anteile, die rechtlich bereits ausgegeben sind (z. B. in der Gesellschafterliste im Handelsregister). Diese Zahl ist relevant für juristische Stimmrechte bei Gesellschafterversammlungen.
- Fully Diluted: Zählt die ökonomische Realität, inklusive aller zukünftigen Verpflichtungen. Diese Zahl ist relevant für alle Finanzierungs- und Exit-Verhandlungen.