Die Liquidationspräferenz (Liquidation Preference) ist eine der wirtschaftlich wichtigsten und am intensivsten verhandelten Klauseln in einem Beteiligungsvertrag (SHA). Sie regelt die exakte Reihenfolge der Verteilung von Erlösen (den „Waterfall“) im Falle eines „Liquidation Events“ – also primär bei einem Unternehmensverkauf (Exit, M&A) oder einer tatsächlichen Auflösung (Liquidation).
Für Investoren (VCs, Business Angels) ist diese Klausel das zentrale Instrument zur Absicherung ihres Investments nach unten (Downside Protection). Sie stellt sicher, dass die Kapitalgeber ihr investiertes Kapital (oder ein Vielfaches davon) zuerst zurückerhalten, bevor die Gründer (Inhaber von Stammanteilen) oder andere Gesellschafter am Erlös beteiligt werden.
Das Wichtigste in Kürze
- Was es ist: Ein vertragliches Vorrecht für Investoren, im Exit-Fall (Verkauf) ihr Investment zuerst aus dem Erlös zurückzuerhalten, bevor der Rest verteilt wird.
- Das Ziel (Investoren): Absicherung des Kapitals (Downside Protection). Die Klausel garantiert, dass der Investor selbst bei einem „schlechten“ oder „mittelmäßigen“ Exit sein Geld (oder einen Teil davon) zurückbekommt.
- Die Konsequenz (Gründer): Die Klausel hat einen massiven Einfluss auf den Auszahlungsbetrag der Gründer. Sie ist oft wichtiger als die reine Unternehmensbewertung.
- Die Kernfrage (Typen): Man unterscheidet primär zwischen „Non-Participating“ (einfach, der Standard) und „Participating“ (doppelt, gründerfeindlich).
Warum Investoren auf diesem Schutz bestehen
Ein Startup-Investment ist ein Hochrisiko-Investment. Investoren gehen das Risiko eines Totalverlusts ein. Die Liquidationspräferenz dient als „Airbag“ für den Fall, dass das Unternehmen nicht die erhoffte „Unicorn“-Bewertung erreicht, sondern nur zu einem moderaten Preis verkauft wird.
Der Hauptgrund ist die Risiko-Asymmetrie:
- Szenario: Ein Investor investiert 5 Mio. € bei einer Bewertung von 20 Mio. €. Das Unternehmen wird aber später nur für 30 Mio. € verkauft.
- Ohne Präferenz (nur pro-rata): Hält der Investor 25 %, würde er 7,5 Mio. € erhalten. Hält er 50 %, würde er 15 Mio. € erhalten.
- Mit 1x Präferenz: Der Investor will sicherstellen, dass er mindestens seine 5 Mio. € zurückbekommt, bevor die Gründer, die (vereinfacht gesagt) mit „Sweat Equity“ statt mit Cash beteiligt sind, ausgezahlt werden.
Investoren zahlen oft einen höheren Preis pro Anteil als die Gründer und sichern sich dieses Risiko durch die Präferenz ab.
Die zwei entscheidenden Mechanismen (Typen)
Die genaue Ausgestaltung dieser Klausel ist der kritischste Verhandlungspunkt. Sie bestimmt, was der Investor erhält, nachdem er sein Geld zurückerhalten hat.
1. Non-Participating (Einfache Präferenz) – Der Standardfall
„Non-Participating“ (nicht-teilnehmend) ist der moderne, faire und gängigste Mechanismus. Er stellt den Investor vor eine „Entweder-Oder“-Wahl:
Der Investor rechnet im Exit-Fall aus, was für ihn besser ist:
- Option A (Die Präferenz): Er nimmt nur seine Präferenz (z. B. das 1x investierte Kapital).
- Option B (Der Umtausch): Er verzichtet auf die Präferenz, wandelt seine Vorzugsanteile in Stammanteile um und wird „pro-rata“ (prozentual) am Gesamterlös beteiligt.
Er wird immer die Option wählen, die ihm mehr Geld bringt. Für Gründer ist dies die fairste Regelung.
2. Participating (Teilnehmende Präferenz) – Der „Double Dip“
„Participating“ (teilnehmend) ist eine sehr gründerunfreundliche Klausel, die heute seltener, aber in schwierigen Verhandlungsphasen noch vorkommt. Hier gibt es kein „Entweder-Oder“, sondern ein „Sowohl-als-auch“.
Der Investor erhält:
- Zuerst seine Präferenz (z. B. das 1x investierte Kapital).
- Und danach beteiligt er sich „pro-rata“ (als ob er noch alle Anteile hätte) an dem restlichen Erlös, der dann mit den Gründern geteilt wird.
Dies wird als „Double Dip“ bezeichnet, da der Investor doppelt profitiert.
Warum die Klausel wichtiger ist als die Bewertung
Für Gründer ist das Verständnis der Liquidationspräferenz essenziell. Eine hohe Unternehmensbewertung (Headline-Bewertung) ist wertlos, wenn sie mit einer aggressiven (z. B. „2x Participating“) Liquidationspräferenz erkauft wird.
Im Zweifel ist ein Deal mit einer niedrigeren Bewertung, aber einer sauberen „1x Non-Participating“-Klausel für die Gründer im Exit-Fall fast immer wirtschaftlich wertvoller als ein „Vanity“-Deal mit hoher Bewertung und strafenden Präferenzen.