Die Pre-Money-Bewertung (englisch: Pre-Money Valuation) ist der Wert eines Startups unmittelbar bevor eine neue Finanzierungsrunde abgeschlossen und frisches Kapital eingezahlt wird. Sie ist die mit Abstand wichtigste und am härtesten verhandelte Zahl in einem Investment-Deal (Term Sheet).
Sie ist die Basis, auf der der Preis pro Anteil (Price per Share) berechnet wird und bestimmt somit direkt, wie viel Prozent (Equity) die Gründer für ein bestimmtes Investment abgeben müssen.
Auf die im Titel gestellte Frage – „Wie wird der Wert berechnet?“ – gibt es jedoch in der Startup-Frühphase eine ernüchternde, aber ehrliche Antwort: Er wird fast nie berechnet, sondern fast immer verhandelt.
Das Wichtigste in Kürze
- Definition: Die Pre-Money-Bewertung ist der (verhandelte) Wert eines Startups vor der Einzahlung von neuem Kapital.
- Die Grundformel:
Pre-Money-Bewertung + Investment-Summe = Post-Money-Bewertung. - Der Zweck: Sie ist der zentrale Verhandlungspunkt, der bestimmt, wie viel Prozent des Unternehmens ein Investor für sein Geld erhält.
- Die Realität (Frühphase): Es gibt keine „Formel“. Klassische Bewertungsmethoden (wie DCF oder EBITDA-Multiples) sind bei Startups ohne Profit nicht anwendbar. Der Wert wird durch Faktoren wie Traktion, Team und Marktumfeld bestimmt.
Der Mythos der „Berechnung“ in der Frühphase
Traditionelle Unternehmen werden auf Basis messbarer Finanzdaten bewertet: Umsatz, Gewinn (EBITDA) oder Cashflow. Startups in der Frühphase (Pre-Seed, Seed, Series A) haben jedoch oft keinen nennenswerten Umsatz und operieren mit einem geplanten Verlust (Cash Burn).
Eine „Berechnung“ im klassischen Sinne ist daher unmöglich. Es gibt keine Gewinne, die man hochrechnen (multiplizieren) könnte, und keine verlässlichen Cashflows für eine Discounted-Cashflow-Methode (DCF).
Die Pre-Money-Bewertung ist daher keine Wissenschaft, sondern eine Kunst der Verhandlung. Sie ist der Preis, auf den sich ein „williger Käufer“ (der Investor) und ein „williger Verkäufer“ (der Gründer) einigen, basierend auf der Erwartung zukünftiger Erfolge.
Welche Faktoren bestimmen die Pre-Money-Bewertung in der Praxis?
Wenn man nicht rechnen kann, muss man argumentieren. Investoren (VCs) und Gründer nutzen die folgenden qualitativen und quantitativen Faktoren, um eine Bewertungsspanne zu rechtfertigen:
1. Traktion (Traction)
Der mit Abstand wichtigste Faktor. Wie weit ist das Startup?
- Pre-Seed: Oft nur eine Idee und ein Team (geringe Bewertung).
- Seed: Ein Prototyp (MVP) ist vorhanden, erste Pilotkunden (geringe Bewertung).
- Series A: Ein validiertes Geschäftsmodell mit „Product-Market-Fit“. Hier werden harte Metriken entscheidend: Wie hoch ist der MRR (Monthly Recurring Revenue)? Wie schnell wächst er? Wie hoch sind die Customer Acquisition Costs (CAC)?
2. Das Team
Investoren investieren in der Frühphase primär in die Gründer. Ein erfahrenes Team (z. B. „Serial Entrepreneurs“, die bereits erfolgreich gegründet haben) oder Gründer mit einzigartiger Branchenexpertise (z. B. PhDs im Deeptech-Bereich) erzielen deutlich höhere Pre-Money-Bewertungen.
3. Marktgröße und -potenzial (TAM)
VCs suchen nach „100x“-Potenzial. Die Bewertung reflektiert die Größe des adressierbaren Marktes (Total Addressable Market, TAM). Ein Startup, das einen Nischenmarkt von 50 Mio. € bedient, wird nie eine hohe Pre-Money-Bewertung erzielen, selbst wenn es profitabel ist. Ein Startup, das einen 50-Mrd.-€-Markt angreift, erhält einen hohen Aufschlag für dieses Potenzial.
4. Wettbewerb und Marktumfeld (Benchmarks)
Der „Preis“ eines Startups wird stark von Angebot und Nachfrage bestimmt.
- Nachfrage (Hype): Ist das Startup ein „heißer Deal“, um den sich mehrere VCs reißen? Dies treibt die Pre-Money-Bewertung exponentiell in die Höhe.
- Angebot (Benchmarks): Was wurde kürzlich für vergleichbare Startups (Wettbewerber) in derselben Branche und Phase bezahlt? Diese „Comparables“ dienen als wichtiger Anker für die Verhandlung.
Die Pre-Money-Bewertung als Ergebnis der Verhandlung
In der Praxis läuft die Verhandlung oft „rückwärts“ ab. Der Investor überlegt, wie viel Prozent er für den Aufbau einer signifikanten Position benötigt (z. B. 20 %) und welches Kapital dafür nötig ist (z. B. 2 Mio. €).
- Investor-Logik: „Ich will 20 % für 2 Mio. €.“
- Implizierte Post-Money-Bewertung: 2 Mio. € sind 20 %, also sind 100 % = 10 Mio. €.
- Implizierte Pre-Money-Bewertung: 10 Mio. € (Post-Money) – 2 Mio. € (Investment) = 8 Mio. €.
Die Pre-Money-Bewertung ist hier das Ergebnis der Verhandlung über den Anteil, nicht der Startpunkt einer Excel-Berechnung.